„Ich bin des trocknen Tons nun satt….!“, sagt schon mein alter Freund Mephisto – und mir geht´s heut auch so. Daher sind die angekündigten Übungen verschoben, und ich hab heute Lust, einfach mal ein paar flotte Skizzen aus der freien Wildbahn zu zeigen.
Aus dem letzten Crashkurs Portrait und Figur zeichnen hat sich entwickelt, daß wir uns ab und zu im Café treffen, zum Austauschen und zusammen zeichnen. Das ist für mich ein super Genuß, denn da bin ich nimmer Lehrerin, sondern habe einfach Teil an einer kleinen sehr anregenden Peers-Group, die gegenseitig Skizzenbücher anschaut, ratscht und Kaffee trinkt – und dann aber auch sehr schnell den Übergang findet zum aktuellen Dranbleiben und flott und fesch und experimentell herumzeichnen.
Was super ist: wenn wir so als kleine Gruppe da sind (strategisch auf zwei Tische verteilt, so daß wir uns auch gut gegenseitig zeichnen können) – dann ist es sehr leicht, wie nebenbei und unbemerkt auch andere Leute/Gäste zu zeichnen. Das ist alleine schwieriger – „wieselhaariger“ würd ich da auf bayrisch sagen…
Also das ist die Situation, und hier kommen die Bilder:
Naja, frau übt halt so vor sich hin… Claudia zeichnet, und ich zeichne sie wild drauflos beim zeichnen…die Farben im Haar sind ein bißchen zu gleichmäßig verteilt, mehr flächig konzentrieren!
Das Café heißt übrigens Dankl, und ist an der Ecke Valleystraße (falls jemand in München ist und mal reinschaun/ reinzeichnen will). Es ist super geeignet, weil große Fenster -> angenehm hell. Lockere Atmosphäre, interessant gemischte Besucher, und meist nicht so voll. Und extrem köstlicher Kaffee!
Noch beim Warmzeichnen, man merkt, daß die Hand noch ein bißchen steif is – zumindest ich merke das. Aber so fängts halt an, jedesmal wieder neu annähern, eintauchen, flüssig werden. Bleistift und Fineliner, irgendwer hat faszinierende Leuchtstifte hingelegt, Buntstifte, Kugelschreiber, Rohrfeder und Tusche.
Leider check ich noch nicht, wie frau es macht, daß die Bilder hier im Blog nur klein angezeigt werden, und beim draufklicken groß werden – falls mir das jemand sagen könnte, wär toll, danke!
Teresa, Teresa, Teresa!…So, jetzt flutschts – ab hier beginne ich mich wohl zu fühlen und im Flow… wir haben alle möglichen Werzeuge und Stifte am Tisch, jede kann einfach zugreifen und ausprobieren- ich liebe diese Mischung aus Allem, was sich anbietet…hier: Rohrfeder und farbige Tusche, rosa Marker, Filzer, Aquarellstifte.Teresa trinkt – und ich schlürfe das Punktemuster auf ihrem Schal, schlürfe es mit der Rohrfeder, mit brauner und blauer Tusche, dickem Filzstift und irgendwas Rotem…Ich liebe die hohen hellen Fenster in diesem Café! – und an der Zeichnung die etwas brutale Mischung aus dickem Filzstift und dem andern Kleinkram…Hier hat ein Papa am nachbartisch, von dem ich irgendwie aufgeschnappt habe, daß er „Assyrer“ ist, seinem Kind aus dem Dschungelbuch vorgelesen. Daher die Schlange Kaa, die sich durch das Bild ringelt.
Ich mag diese Mischung: eine Szene, die frau in der Wirklichkeit beobachtet, abzubilden beginnt – und in die Bildwirklichkeit mischt sich dann aber auch, was so an Gedanken und Ideen rumgeistert… wie hier die Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch – der Ast ist aber wirklich von dem Baum vor dem Fenster draußen…
Und an diesen dicken schwarzen Filzstift könnt ich mich gewöhnen…..
Yasumin Sophia Lermer: „dancing bliss“ Acryl auf Rupfen, 150 x 170 cm
Der Schatten macht ein Portrait nicht nur plastisch, und die charakteristischen Formen der Schatten spielen neben den Hauptproportionen nicht nur eine wichtige Rolle für die Portraitähnlichkeit – den Schatten kann man auch für die expressive Farbgebung nützen. Wie, das möchte ich euch heute gern näherbringen!
Ganz links dieser Reihe: eine SW- Version von „dancing bliss“ (ich habe einfach per Photoshop die Farben herausgenommen).
Mitte: hier habe ich die Hell-dunkel-Kontraste verstärkt, damit es dir leichter fällt, die Formen der Lichter und Schatten zu sehen.
rechts das Original: im Vergleich kannst du sehr gut erkennen, daß ich in die Schattenbereiche alle möglichen Farben hineingepfeffert habe, die mit der Natur nichts zu tun haben, sondern eher der Ausdruck von Gefühlen sind, d.h. die Farben sind hier eher expressiv verwendet. Trotzdem wirkt das Gesicht glaubhaft und auch plastisch. Und das kommt eben daher, daß ich die natürlichen Tonwerte in der farbigen Umsetzung beibehalten habe.
Tonwerte??? Was´n das eigentlich?
Tjaaaaa, eigentlich ein seltsames Wort, genaugenommen finde ich es auch nicht wirklich gut – aber es ist halt mal so eingeführt als Fachwort, und ein anderes gibt es nicht für den gleichen Sachverhalt…. AAAAaaaalso:
Der Tonwert ist die Graustufe. Hihi! So?!
Also, alle wach? –>Der Tonwert ist die reine Helligkeit oder Dunkelheit einer Farbe (oder einer Graustufe). Um den Tonwert einer Farbe zu finden, stellt man sie sich quasi als Schwarzweiß-Foto vor – dann hat man die reine Helligkeit, (egal ob es grün oder rot oder blau ist). Das heißt: völlig unterschiedliche Farben können den gleichen Tonwert haben! – wenn sie gleich hell sind.
Eine gute Übung zum Sehen-lernen des Tonwerts einer Farbe: Mische dir aus Schwarz und Weiß eine Abfolge von Hell nach Dunkel in etwa gleich großen Abstufungen. Das können 15 sein wie in der Reihe oben – aber für den Anfang tuns auch weniger. Dann schneidest du dir aus Karton 20 kleine Kärtchen aus, im gleichen Maß wie deine Graustufen. Mische dir jetzt unterschiedlichste Farben an und bestreiche jeweils ein Kärtchen mit einer Farbe.
Henny und Beate ordnen die Farben ihrer jeweiligen Graustufe zu… Beate schaut hier nicht umsonst so verkniffen: das ist eine gute Möglichkeit, um die Helligkeit einer Farbe besser einschätzen zu können!
Und jetzt legst du die Kärtchen neben deine Grau-Skala: genau dort, wo du die Farbe und das Grau als gleich hell empfindest – und staune! daß leuchtendes Rot auf der gleichen Stufe landen kann wie sanftes Grün, da schmeißt so manche erstmal vom Hocker! Wie die meisten Dinge im Leben macht auch diese Übung zu zweit oder mehreren noch mehr Spaß – mach das doch mal mit einem Freund oder Freundin zusammen! Oder in deiner Malgruppe…
Ein weiteres Phänomen spielt hier eine Rolle, um besser zu verstehen, wieso man gerade in den Schatten eines Portraits ( oder jedes anderen Objekts natürlich auch) so gut andere Farben mit einbauen kann. Sprich, warum gerade hier die „künstlerische Freiheit“ in der Farbgebung so plausibel rüberkommt:
Die Farbigen Schatten
sind für mich eines der immer wieder faszinierendsten Phänomene überhaupt. Hier hat sich ein wunderschönes eindrucksvolles Beispiel zufällig während eines Bäume-Workshops ergeben: der rote Anorak der linken Zeichnerin warf eine starke farbige Reflexion auf die neben ihr stehende…
Ich habe kein bißchen mit Photoshop oder sonstigen optischen Aufhellern nachgeholfen- if anything, dann war es in Wirklichkeit sogar noch stärker!
Zur Verdeutlichung nochmal in groß, links mit roter Reflexion, rechts ohne:
Wo ist es rot? dort, wo Carmen dem roten Anorak zugewendet ist – klar, auf der rechten Seite natürlich nicht. Aber, und weniger selbverständlich: besonders dort, wo an ihrer Gestalt DUNKLE BEREICHE, SPRICH SCHATTEN sind! Die hellen Stellen sind weit weniger beeinflußt! Die Schatten werden einerseits leicht aufgehellt (klar, es kommt ja zusätzliches Licht hin), andererseits ganz umwerfend gefärbt!
Und jetzt noch ein besonders schönes Detail:
Die GRÜNE Reflexion der sonnenbeschienenen Wiese auf der Unterseite von Carmens Arm! Siehst du sie? den schmalen grünen Streifen?
hier nochmal groß ohne das Rot
Und hier wieder mit—
Naaaa, klingelts?
hier mischen sich: die grüne Reflexion der Wiese + die rote vom Anorak, Carmens natürliche Hautfarbe.
ich finde das so phantastisch, daß ich hüpfen und springen könnte!
Was ich besonders faszinierend finde: der grüne Widerschein des sonnenbeschienenen Grases unten am Arm – ist das nicht toll, im Kontrast mit dem leuchtenden Rot??
oder vor Freude und Begeisterung in die Hände klatschen!
Versuch das doch mal selber: Lege neben einen Gegenstand einen anderen, der eine intensive Farbe hat – beobachte die farbige Reflexion, den farbigen Schatten. GENIESSE ihn! Besonders gut funktioniert auch: schau in den Spiegel und halte ein intensiv farbiges Tuch neben dein Gesicht.
Farbgenuß beim Wahrnehmen der Wirklichkeit! Juhu und immer wieder!!
Und versuch das bewußt in deine Zeichnungen einzubringen: erst die beobachteten Farben dann aber auch die frei erfundenen!
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Im nächsten Beitrag gibts dazu noch etwas Übungsmaterial…