Crashkurs Portrait und Figur zeichnen – Büchertisch/ Literaturliste

Im diesem Kurs über das Zeichnen von Portraits und das flotte Skizzieren von Menschen haben wir Bücher aus drei hauptsächlichen Sparten verwendet: Anatomie, Zeichenlehrbücher und Künstlerbücher. Teilweise haben wir in Partner-oder Gruppenübungen gemeinsam damit gearbeitet – teilweise waren sie auch einfach da, um zwischendurch zusätzliche Impulse zu geben.

Büchertisch-Portrait

Ich möchte euch hier noch eine Liste der wichtigsten im Portrait-Workshop verwendeten Literatur geben, jeweils mit kurzen Kommentaren.

Anatomiebücher:

1.Das Wichtigste ( und auch hier im Bild) ist „der Bammes“: 

Gottfried Bammes:  „Die Gestalt des Menschen“ Lehr- und Handbuch der Anatomie für Künstler.

Ein Standardwerk, an dem du immer wieder deine Freude hast, wenn du dich künstlerisch mit dem menschlichen Gesicht und Körper befasst. Sehr solide und ausführlich, dabei nicht zu medizinisch. Sehr gute erklärende Texte ergänzen das (zugegebenermaßen etwas altmodische) Fotomaterial und erklärende Zeichnungen, die anatomisch wissend, aber sehr gut auf den künstlerischen Bedarf zugeschnitten sind.

2. Sobotta: „Atlas der Anatomie des Menschen“

Toll und phantastisch, wenn du es ganz genau wissen willst, und von innen her verstehen – aber nicht wirklich notwendig zum Zeichnen

3. Szunyoghi/Fehér: „Anatomische Zeichenschule„.  Mensch, Tier, vergleichende Anatomie.

Der Titel Zeichenschule ist nicht wirklich gerechtfertigt (dieser Anteil ist sehr klein und nicht wirklich instruktiv) – aber das Buch ist eine gute Ergänzung zum Bammes, da natürlich jeder wieder andere Aspekte erwähnt. Zwei Drittel des Buches (!) befassen sich mit der Anatomie der Tiere (behandelt werden neben Pferd, Hund und Katze auch Schwein, Affe, Schaf, Bär, Hirsch, Rind, Kamel und Löwe) – d.h. wenn dich neben der Gestalt des Menschen auch der Vergleich mit den Säugetierverwandten interessiert, ist dieses Buch besonders interessant. Der Vergleich von menschlicher und Tierischer Gestalt/ Physiognomie ist auch für angehende Karikaturisten und Animatoren sehr inspirierend!

Zeichenlehrbücher, Portraitlehrbücher:

 1.Betty Edwards „Garantiert Zeichnen lernenSelten gab es einen dümmeren Titel für ein besseres Buch!! ( engl. Originaltitel: „Drawing from the artist within/ Drawing on the right side of the brain)  Die Übungen von Betty Edwards sind wirklich enorm nützlich ( für Zeichen-Anfänger und wenn du das Gefühl hast, nicht wirklich weiterzukommen).  Gerade die Übungen zu Portrait und Händen sind für jemanden, der auch zuhause und allein die Disziplin zum Üben hat, super! Das Buch ist unter Kunsterziehern zurecht ein Evergreen!

2. William Maughan: „Drawing The Head“ : Phantasisch, super, sehr informativ! Auch überzeugende Zeichnungen des Autors, die weit über das bloße Erklären hinausgehen. Damit meine ich, daß es mich auch künstlerisch überzeugt, nicht nur von den Zeichen-Fertigkeiten her.

3. Suzanne Brooker: „Portrait Painting Atelier“: wie der Titel sagt, führt das Buch zur Malerei – es hat aber auch einen seeehr guten Teil über anatomische Gegebenheiten im Gesicht, sehr detailiert behandelt es auch Licht und Schatten.

Es ist kein Zufall, daß ich hauptsächlich Lehrbücher aus dem englischsprachigen Bereich verwende – warum auch immer, die habens einfach drauf! Es gibt jede Menge deutsche Bücher zum Portraitzeichnen – aber ich finde quasi alles peinlich dilettantisch und halbscharig. Wer was Gutes weiß, möge mir gern widersprechen!

3. Künstler-Bücher

1. Xenia Hausner: Kampfzone   Yes, Yes und Yes! für mich die interessanteste zeitgenössische Portraitistin überhaupt. Unbedingt sehenswert. Xenia ist eine gute Antwort auf die Frage: was will ich eigentlich im Zeitalter der Fotografie von einem Portrait? Das Buch ist leider erstens teuer und zweitens sowieso dauerhaft vergriffen. Dankenswerterweise gibt es „Kampfzone“ und auch andere Werke von Xenia Hausner in der Bibliothek. ( Zumindest in München, ähm)

2.Pfisterer/von Rosen ( Hrsg): Der Künstler als Kunstwerk. Viele interessante Beispiele von Selbstportraits, also wie ZeichnerInnen/MalerInnen verschiedener Zeiten sich selbst gesehen/inszeniert haben.

3.Ernst Rebel (Hrsg): Selbstporträts. Siehe 2

Ganz banal hat uns im Vergleich der Bilder auch interessiert: wie geht der/die einzelne Künstler mit den Formen des Gesichts um? Nase? Mund? Augen?

zB: gibt es in den Augen bei Xenia Hausner Glanzlichter? Fast nie – und was bewirkt das? Schließlich haben wir im Kurs gelernt, wie man „richtige“ Glanzlichter setzt, und wie lebendig dadurch ein Auge wirkt. Da ist es doch interessant, sich zu überlegen, warum so eine tolle Künstlerin sie nun einfach wegläßt – hat sie keine Ahnung? Hm, nö, da müssen wir uns wohl eine bessere Begründung einfallen lassen!! Schau dir doch mal Bilder von Xenia im Internet an, und schreibs gern hier in den Kommentar, wenn dir was Gutes dazu einfällt!

 

 

 

6. Tag : Portraitübungen für das ganze Gesicht, Schattenformen sehen

Selbstportrait_blau.-transform
Ein Selbstportrait, das ich mal vor Jahren zu Übungszwecken gezeichnet habe – es kann gut verdeutlichen, um was es heute am letzten Workshoptag geht: Die Proportionen eines ganzen Gesichts finden ( und zwar ohne Foto, nur im Spiegel) – und die Formen eines relativ stark kontrastierenden Schattens finden und nutzen.

Am Vormittag setzen wir nun die Einzelformen Auge, Nase und Mund zusammen und üben dabei Gesichtsproportion und Zeichentechnik. Jede Zeichnerin hat einen Spiegel neben der Staffelei und zeichnet ein Selbstportrait nach Spiegel. Ich helfe jeder individuell beim Auffinden der richtigen Proportionen – diese sind ja neben den charakteristischen Formen an Auge, Nase und Mund der  Schlüssel zur Portraitähnlichkeit.  Weiterlesen „6. Tag : Portraitübungen für das ganze Gesicht, Schattenformen sehen“

5.Tag: das Ohr

Ohren_Performance
JAAAAA, ich gebs ja zu – ich bin eine Ohr-Fetischistin! Der Header für diesen Kurstag stammt nicht aus dem Kurs selber, sondern aus der Performance-Reihe „Stirb, bevor du stirbst!“, die ich 2013 mit Stephan Lanius gemacht habe. Für jeden einzelnen Performance-Abend entstand da ein Ohrbild in Acryl, das im Verlauf der Performance mit einem Messer zerschnitten wurde – und von mir später mit verschiedenen Methoden wieder „geheilt“ – also genäht, geklebt, ge—-jetzt aber zurück zum PortraitWorkshop!

Das Ohr wird bei Portraits immer gern übersehen, links liegen gelassen, vernachlässigt oder schlicht weggelassen – es ist aber nicht nur eine sehr faszinierende Form, sondern NATÜRLICH ist es auch für ein gutes Portrait wichtig.
Weiterlesen „5.Tag: das Ohr“

Portrait und Figur zeichnen 3. Tag : die Nase

Allmählich wird auch das grobe Konzept dieses Workshops klar:

Jeden Tag am Vormittag theoretisches Input und betreute Übungen im Atelier: dabei befassen wir uns zunächst mit den einzelnen Formen im Gesicht.

Und jeden Nachmittag gehen wir los und skizzieren frei an verschiedenen Orten in Sendling – dabei erlebt man auch diesen schönen Münchner Stadtteil neu. Wir üben dabei, wie man sich rasch auf eine neue Zeichensituation einstellt, das Material und das Format wählt, und spontan und frisch und fesch draufloszeichnet.

Heute ist die Nase dran, meiner Ansicht nach das am Schwierigsten zu Bewältigende.

 

Nase-Formschraffur
Zu dieser Art zu zeichnen gibt es weiter unten noch eine Übungsabfolge!

Die Nase hat eine für jeden Menschen sehr charakteristische Form, das heißt sie ist wichtig für die Portrait-Ähnlichkeit. Das gilt natürlich für jedes Feature im Gesicht, aber die große Herausforderung an der Nase ist, daß diese charakteristische Form sich kaum mit Kontur-Linien erfassen läßt, sondern größtenteils mit der Form der sie definierenden Schatten erreicht wird!

Die Nase muß man als plastische Form verstehen. Dazu

  • betasten wir unsere eigene Nase in einer angeleiteten „Nasenmeditation“
  • erarbeiten uns aus Büchern einiges anatomisches Wissen über den Gesichtsschädel
  • modellieren unsere Nasen gegenseitig als Partnerübung in Plastilin
    Nase_modellieren-web
    Partnerübung (kannst du aber genausogut auch vor dem Spiegel machen!): gegenseitig die Nase des Gegenübers modellieren. Dabei entwickelst du ein besseres Gefühl für die plastische Form der Nase. Wir verwenden hier Bildhauerplastilin „Münchner Mischung“.

    Dieses Nasenmodell aus Bildhauerplastiln ist blind entstanden, das heißt: nur nach tasten an der eigenen Nase. Wenn du diese Übung machen willst, kannst du dich auch rein auf die Nase selbst beschränken, und Nasenwurzel und Oberlippe weglassen. Für mich ist es immer eine Versuchung, weiter und weiter „anzubauen“.

     

    Dieses Nasenmodell ist nach Spiegel modelliert. Material für alle Modelle: Bildhauerplastilin „Münchner Mischung“

    Anatomie: was für Teile hat eigentlich die Nase? wo ist Knochen drunter, und wo nur Knorpel? Wie heißt das Teilchen zwischen Mund und Nase ( Philtrum)

    Nase_Anatomie-web
    Die Anatomie der Nase erarbeiten wir gemeinsam aus verschiedenen Büchern ( Hier im Bild der gute alte Bammes: „Anatomie für Künstler“) und mit unserem Schädelmodell.

    Dann gehen wir noch an den Spiegel auf der Staffelei und jede zeichnet ihre eigene Nase. Eine Übung dazu: Die Landschaft der Nase und ihrer Umgebung im Gesicht mit Formlinien wiedergeben.

Nase_Formlinien
1. Übungsschritt (links): versuche die Landschaft der Nase rein mit Linien plastisch zu machen. Folge dabei jeder Wölbung – ein bißchen ähnlich wie ein Drahtmodell. Kämpf dich durch, auch wenn die Zeichnung, die dabei entsteht, kein bißchen „schön“ ist! Es ist einfach eine Erkenntnis-Übung ( –> „Formlinien)“

1. Übungsschritt (links): versuche die Landschaft der Nase mit rein mit Linien plastisch zu machen. Folge dabei jeder Wölbung – ein bißchen ähnlich wie ein Drahtmodell. Kämpf dich durch, auch wenn die Zeichnung, die dabei entsteht, kein bißchen „schön“ ist! Es ist einfach eine Erkenntnis-Übung ( –> „Formlinien)“, ca 20 min

2. Übungsschritt ( rechts): behalte die Richtungen der Formlinien bei – aber mach sie dort dichter, wo du dunkel/Schatten siehst, und lichte sie dort auf ( bis hin zu völligem Weglassen), wo du hell/Licht siehst!  ca 30 min

Nun beginnen die Richtungen der „Formschraffur“ und Licht und Schatten zusammenzuwirken, und eine differenzierte plastische Wirkung hervorzurufen.

Am Nachmittag:

Zeichensession im Naturbad Maria Einsiedel

Der Plan ist, daß ich meinen Zeichnerinnen für einige längere, ausführliche FigurZeichnungen Modell sitze. Dabei geht es um ganz klassische Inhalte; die Achsen von Armen, Beinen, Mittelkörper und Kopf zu finden, die Perspektive zB von geknickten Beinen zu bewältigen, den Körper erstmal als einfache Grundelemente auffassen. Aber auch: die Form des Schattens sehen! 

Das Setting im Bad ist in jeder Weise ideal ( außer daß sie an dem heißen Augusttag auch sau-angenehm ist… wenn eine müde wird, braucht sie nur kurz ins kalte Isar-Wasser hüpfen und wupps! ist sie wieder frisch und einsatzbereit……das gilt auch für das Modell! Merke: Künstler müssen nicht immer leiden!)

  • das Modell hat zwar einen Bikini an, aber die Funktion vom Aktzeichnen wird da ja genauso erfüllt
  • man kann natürlich nicht einfach sich vor Leute hinsetzen und sie zeichnen – aber problemlos kann eine statt auf mich zu schauen auch mal nette Schnappschuß-Skizzen aus dem Augenwinkel zeichnen von anderen Badegästen
  • ich kann wichtige anatomische Sachen sehr einfach an meinem eigenen Körper zeigen und erklären
Bad_Skizze.jpg
Also jetzt möchte ich schon mal betonen, daß ich nicht so fett bin! Ok, und jetzt wieder sachlich: Christine hat hier verschiedene Hilfsmittel angewendet, um die richtigen Proportionen zu finden, was siehst du?

In der Skizze oben hat Christine Hilfsmittel verwendet, um die richtigen Proportionen und Richtungen zu finden. Die Hilfslinien dürfen natürlich bei so einer Skizze gern sichtbar bleiben – das ist ja gerade interessant, weil es dem Betrachter zeigt, wie die Zeichnerin denkt und sich in der räumlichen Wirklichkeit orientiert:

  • an wichtigen Gelenken gibt es eine Markierung : das heißt, sie hat meinen Körper erstmal wie eine Gliederpuppe oder ein Strichmännchen betrachtet, hat die Achsen der einzelnen Arme und Beine gesehen und teilweise eingezeichnet, und markiert, wo ein Gelenk ( Knick) ist
  • sie hat wichtige Punkte miteinander verbunden, um besser wahrzunehmen, wie sie räumlich zueinander angeordnet sind.( zB. die rechte Ferse mit einer fast waagrechten Linie zum linken Knie)
  • Sie hat an der fertig konstruierten Figur mit grober Schraffur ( man nennt das „45 Grad- Schnellschraffur“ – das ist einfach das, was den meisten von uns am flottesten aus der Hand fließt) die Schatten markiert.

 

 

Skizze_Christine_Bad-Maria-Einsiedel.jpg
Auf dieser Skizze sieht man was TOTAL WICHTIGES!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!ES ist SO WICHTIG und HILFREICH, und dabei SO SIMPEL, daß man eigentlich gleich noch eine Zeile !! einfügen müßte!  DIE BLINDZEICHNUNG!!  Das heißt in diesem Fall: du läßt der „ernsthaften“ Zeichnung oder Skizze eine kurze Phase vorangehen, wo du nur auf das Modell schaust, aber nicht auf dein Zeichenpapier. Und dann läßt ohne optische Kontrolle deinen Zeichenstift dem folgen, was du siehst, in ganz groben Zügen. ( du kannst das sogar auch einfach mit dem Finger in der Luft machen). Dadurch bekommst du intuitiv eine besere räumliche Vorstellung von deinem Motiv, und es fällt dir dann viel leichter, es einigermaßen stimmig zu zeichnen.

 

Und hier noch einige freiere Zeichnungen, die  an diesem wunderschönen Nachmittag im NaturBad Maria Einsiedel entstanden sind:

Bikinifiguren_im_Bad_Claudia1000
Mischtechnik von Claudia Hiepel. Die Bikini-Formen sind einerseits für die Komposition ein wichtiges Element – andererseits waren sie auch die Ankerpunkte beim Figur – „Hinwerfen“: erst die Form und Anordnung des Bikinis sehen+zeichnen. Dann die Körperteile flott und ungefähr dazusetzen. (Ein bißchen so wie bei dem Setting mit Hut am ersten Tag)

 

Skizze_im_Bad-mit-Krokodil1000
Bleistift, Aquarell und Stifte, von Claudia Hiepel. Das Krokodil ist nicht ganz frei erfunden…. es ist mein geliebtes Schwimmtier-Kroko, an dem ich mein Wohlgefallen habe… muß immer mit beim Baden und hier auch beim Modellsitzen.